Digitaldruck in der Möbelindustrie
Auch in der Möbelindustrie ist der Digitaldruck längst zum Standard geworden. Das liegt an den unbestreitbaren Vorteilen digitaler Technologie, aber auch an herrschenden Trends. Wie ist die aktuelle Situation, und was können Digitaldruckereien in den nächsten Jahren erwarten?
Keine Frage, das schöne Heim liegt im Trend. In 2024 veranschlagt Mordor Intelligence für den Möbelmarkt in Deutschland ca. 57 Mrd. US-$. Hinzu kommen laut Statista 430 Millionen € für Dekoartikel, sowie weitere 9,5 Milliarden für Heimtextilien wie Bett- und Tischwäsche, Kissen oder Teppiche.
Möbel mit Digitaldruck werden längst nicht mehr nur für Messen hergestellt. Foto: Sonja Angerer
Die Möbelindustrie: viele unterschiedliche Märkte
Die genannten Zahlen umfassen den gesamten Markt, also sowohl Privat- wie Geschäftskunden. Letztere tragen durch Neubau sowie regelmäßige Renovierungen von Büroflächen, Event Spaces, Läden und nicht zuletzt Flächen im Gastgewerbe, ganz erheblich zum Umsatz bei. Sie benötigen dazu auch Produkte, die man zur Möbelindustrie zählen kann, die in privaten Räumen allerdings eher seltener vorkommen. Also beispielsweise bedruckte Akustikelemente, Raumteiler oder Telefonkabinen.
Für gewerblich genutzte Möbel ist das so genannte „Contracting“, also die Auftragsfertigung nach den genauen Vorgaben des Kunden, bereits seit Jahrzehnten Standard. Viele Fachmessen für die Möbelindustrie räumen dem Contracting deshalb einen eigenen Bereich ein.
Eine wachsende Schicht von Privatkunden will sich aber ebenfalls nicht mehr mit vorgefertigten Möbeln abfinden. Sie setzen auf hochwertige, oft handgefertigte Stücke genau nach den eigenen Vorstellungen. Da solche Möbel sehr teuer werden können, bevorzugen viele Käufer eine andere Variante. So werden etwa Küchenmöbel aus Standardkomponenten zusammengesetzt, können aber nach Kundenwunsch variiert sowie an örtliche Gegebenheiten angepasst werden.
Bei beiden Varianten hat der Digitaldruck entscheidend dazu beigetragen, die Individualisierung und sogar Personalisierung von Möbelstücken einfacher und kostengünstiger zu machen. Möbelstoffe nach Wunsch, Teppiche mit eigenem Dekor, selbst designte Tapeten oder Glasrückwände für Küchen gehören heute zum Standard eines gut sortierten Möbelhauses.
Ein weiteres Phänomen beim Möbelkauf sind ethnische Möbelhäuser, die seit einigen Jahren stark zugenommen haben. Vor allem junge, urbane Käufer mit Migrationshintergrund wollen sich in ihrem ganz eigenen Stil einrichten. Dieser orientiert sich häufig an der Herkunftskultur, aber auch an internationalen Vorbildern auf Social Media. In Zentral- oder nordeuropäisch geprägten Möbelhäusern sind solche Stücke meist nicht zu finden. Deshalb gibt es vor allem in migrantisch geprägten Stadtvierteln immer öfter Läden mit passenden Importmöbeln oder in Europa speziell für diese Zielgruppe hergestellten Möbel- und Dekostücken wie üppig dekorierte Spiegel, glitzernde Lampen oder opulente Bettüberwürfe.
Ob für drinnen oder Draußen: Möbelstoffe sind auch mit Digitaldruck herstellbar. Foto: Sonja Angerer
Wegwerfmöbel und Nachhaltigkeit
Nach wie vor gibt es sie, die bewussten Möbel Käufer, die eine Einrichtung für viele Jahre planen und dafür auch Lieferzeiten von bis zu 3-6 Monaten in Kauf nehmen. Daneben gibt es allerdings eine wachsende Schicht von Haushalten, die Möbel für wenige Jahre oder sogar nur Monate kaufen. Das liegt vor allem an der wachsenden Mobilität besonders jüngerer Zielgruppen. Sie sind im Rahmen von Ausbildung und Studium oft nur einige wenige Monate an einem Ort und mieten deshalb gerne teilmöbliert.
Kleinere, möglichst günstige Stücke sorgen für den persönlichen Touch. Sie kommen aus Mitnahme-Möbelhäusern, doch immer öfter aus auch dem Internet. Längst kann man bei Amazon und Co. nicht nur Beistelltischchen und kleine Ablageregale erwerben. Selbst Temu bietet Büromöbel fürs Home-Office und ganze Couchlandschaften an.
Digitalisierung, Automatisierung und moderne Produktionsmethoden wie Digitaldruck haben dazu beigetragen, dass diese schnell konsumierbaren Möbel zu unschlagbar günstigen Preisen hergestellt werden können. Die Nachteile des „Ex und Hopp“-Trends bei Möbeln liegen auf der Hand. Ähnlich wie bei Fast Fashion und Fast Decor gehen sie mit enormer Ressourcenverschwendung, massiven Logistikaufwendungen und oft unfairen Arbeits- und Produktionsbedingungen einher. Nachhaltig ist anders.
Deshalb wächst die Zahl der Haushalte, die alte Möbel bewusst selbst aufarbeiten oder gebrauchte, professionell „aufgemöbelte“ Stücke bevorzugen. Upcycling und Restaurierung von Möbeln wird fast immer lokal erledigt. Möbelstücken ein zweites Leben zu schenken spart also nicht nur wertvolle Rohstoffe, sondern reduziert auch Müll und Verkehrsaufkommen.
Für den Digitaldruck ergeben sich gerade im Bereich Heimwerken mit Möbeln spannende Nischen, in denen die Branche ihre Kreativität und technische Expertise einbringen kann. Ob Fliese oder Möbelstoff, Tapetenrückwand oder Schranktür: mithilfe von Digitaldruck lassen sich sonst unwiederbringliche Ersatzteile fertigen oder originelle Neuinterpretationen auch als Einzelstück schaffen.
Bei Küchenoberflächen sorgt Digitaldruck für mehr Individualität in der Möbelindustrie. Foto: Sonja Angerer
Chancen und Hindernisse für den Digitaldruck in der Möbelindustrie
Für den Digitaldruck gibt es in der Möbelindustrie nach wie vor viele Chancen. Diese sind vor allem dort zu suchen, wo es um Contracting, Produkte nach Kundenwunsch oder Einzelstücke geht. Auch innovative Produkte für Heimwerker sowie die Herstellung von Ersatzteilen für Möbel und Innenraum-Dekore sind spannende Märkte.
Für Druckereien ohne besondere Fachkenntnisse in der Möbelherstellung kann es allerdings sinnvoll sein, sich einen Partner aus der Industrie zu suchen. Denn bei Möbeln, Tapeten, Textilien und Teppichen gibt es viele Vorschriften, die eingehalten werden müssen, um die Produktsicherheit zu gewährleisten. Zusätzlich wünschen sich gerade Textilkunden weitere Zertifikate. Eine Digitaldruckerei mit Expertise in Werbetechnik oder Auflagendruck ist da allein schnell überfordert. Mit dem richtigen Industriepartner an der Seite lassen sich jedoch teure Fehler leichter vermeiden.
Mit guter Planung, cleveren Produkten und stabilen Partnern können sich Digitaldruckereien jedoch auch heute noch in der Möbelindustrie spannende Perspektiven erschließen. Zumal es sich nach Experten Einschätzung um ein Boom- Segment handelt: Mordor Intelligence geht davon aus, dass der Möbelmarkt allein in Deutschland bis 2029 auf knapp 68 Milliarden US-$ wächst.
Thema
Sind Sie daran interessiert, unserer Community beizutreten?
Erkundigen Sie sich noch heute über den Beitritt zu Ihrer örtlichen FESPA-Vereinigung oder FESPA Direct
Jüngste Neuigkeiten
Digitaler Auflagendruck – die andere Seite des Digitaldrucks
Der digitale Auflagendruck hat sich gemeinsam mit dem Großformatdruck entwickelt. Bei den Märkten gibt es ein paar Überschneidungen, aber vor allem erhebliche Unterschiede. Was bedeutet das für Druckereien, wo gibt es noch Marktnischen?
Lichterglanz in den Städten: Moderne Weihnachtsbeschilderung
Weihnachtsbeschilderung ist romantisch, aber nicht unumstritten. Welche Vor- und Nachteile hat sie, wie sieht ihre Zukunft aus?