Digitaldruck

Drucklackierung und 2,5 D-Druck: Marktchancen für den Digitaldruck

by Sonja Angerer | 01.12.2023
Drucklackierung und 2,5 D-Druck: Marktchancen für den Digitaldruck

Mit besonderen Drucken lässt sich viel Aufmerksamkeit erregen. Deshalb sind Drucklackierung und 2,5 D-Strukturen bei Print Buyern beliebt. Wie werden sie im Digitaldruck hergestellt, wo können sie eingesetzt werden, und welche Märkte kann man damit erschließen?

Strukturierte Oberflächen faszinieren: Ob seidenmatte Lackierung oder Halbrelief, Menschen reagieren stark auf haptische Reize. Längst lassen sich besondere Oberflächen nicht mehr nur mit Speziallacken oder im Siebdruck-Verfahren herstellen. Denn UV-härtende Inkjet-Tinten haben die Möglichkeiten zur Gestaltung gedruckter Fläche auf eine neue Ebene gehoben.  

In diesem Artikel erkläre ich 

  • wie Drucklackierung und 2,5 D-Druck mit Inkjet-Tinten funktioniert 

  • welche Anwendungsbereiche es gibt 

  • welche vor und Nachteile Inkjet bei Drucklackierung und 2,5 D-Druck bietet 

  • welche Marktchancen sich für Druckdienstleister bei besonderen Oberflächen ergeben.  

Wie funktioniert das: Drucklackierung mit Inkjet 

Für Drucklackierung und auch für 2,5 D-Druck benötigt man einen Digitaldrucker mit erweitertem Tintensatz. Roland DG zeigte die ersten Modelle für Strukturdruck bereits um 2013. Heute bieten die meisten Hersteller Inkjet-Modelle an, die auch weiße Tinten oder klare Fluids („Klarlack“) verdrucken können.  

Drucklack kann im Inkjet-Verfahren vollflächig oder teilweise aufgetragen werden. Bei partieller Drucklackierung werden die zu lackierenden Stellen in der Vorlage oder im RIP als Sonderfarbe angelegt. Meist kann man auch verschiedene Matt- oder Glanzgrade wählen. Denn diese lassen sich leicht durch die Lampeneinstellung beim Härten beeinflussen. 

BILDUNTERSCHRIFT: Die 4 x 3 m große Reproduktion von Johannes Vermeers Mädchen mit dem Perlenohrring“ wurde für das des Mauritshuis-Museums mit Hilfe der PRISMAelevate XL-Software auf einer Canon Arizona mit haptischen Effekten gedruckt. Foto: Canon. 

2,5 D-Druck mit UV-Tinte

Im Vergleich zum Druck mit wasserbasierter oder Eco Solvent-Tinte ist die Schichtdicke beim UV-Inkjet-Druck erheblich größer. Selbst beim Standarddruck sind Erhöhungen leicht mit den Fingerspitzen fühlbar. Wenn man also viele Schichten von UV härten Inkjet-Tinte übereinander aufträgt, ergibt sich ein Halbrelief. Dabei können erhöhten Stellen aus weißer Tinte, Klarlack-Tinte und farbiger Tinte sowie einer Kombination aus allen dreien bestehen. 

Wie stark erhaben die höchsten Stellen sein können, hängt dabei von der Durchlasshöhe des Druckers ab. Denn wenn die Schichten zu hoch gestapelt werden, besteht die Gefahr, dass der Druckkopf aufsetzt und dabei beschädigt wird. Üblich sind etwa 10 bis 20 Schichten.

BILDUNTERSCHRIFT: 2,5 D-Drucke werden meist auf starren Materialen gedruckt. Ab Januar 2024 gibt es bei Mimaki mit dem Modell UCJV330-160 erstmals auch einen reinen Rollendrucker, der Reliefs drucken kann. Foto: Mimaki 

Viele Hersteller, die Inkjet-Drucker für strukturierte Oberflächen anbieten, also etwa Mimaki, swissQprint oder Durst, haben im Hersteller-RIP entsprechende Möglichkeiten geschaffen, Musterbibliotheken von Strukturen zu nutzen oder anzupassen. Zum Teil gibt es Spezial-Software für strukturierte Oberflächen wie PRISMA elevate XL von Canon. Auch manche Universal-RIPs wie etwa Colorgate Productionserver unterstützen den 2,5 D-Druck. Dort ist es auch möglich, eigene 2,5 D-Strukturen zu erschaffen, indem Höhen- und Glanzinformation mit einem 3D-Scanner aufgezeichnet und als Bitmaps zum Motiv hinterlegt werden.  

Strukturierte Inkjet-Oberflächen druckt man fast immer auf starre Platten. Denn wenn das Trägermedium zu stark gebogen wird, besteht die Gefahr, dass das Halbrelief abplatzt. Mimaki bringt Anfang 2024 mit dem Modell UCJV330-160 aber erstmals auch einen reinen Rollendrucker auf den Markt, der Strukturen drucken kann.  

BILDUNTERSCHRIFT: Kunstreproduktionen mit Relief-Druck wirken sehr natürlich.
Foto: Mimaki 

Drucklackierung und 2,5 D-Druck: Anwendungsbereiche

Spannende, strukturierte Oberflächen aus Inkjet-Druckern haben einen großen Anwendungsbereich. Sie sind in der Kunst beliebt, etwa für Reproduktionen von Gemälden mit pastösen Farben. Man kann auch eigenständige Kunstwerke erschaffen, die mit 2,5 D-Strukturen spielen. Weitere Nischen für strukturierte Oberflächen ergeben sich bei der Innendekoration, etwa in der Nachbildung von Holzmaserung.  

Für POS-Applikationen oder Schaufensterdekoration, aber auch hochwertige Mailings werden strukturierte Oberflächen ebenfalls manchmal eingesetzt.  

BILDUNTERSCHRIFT: Bei der swissQprint Creative Challenge belegt Signaletik Diffusion mit „Le couteau swissQprint“, einer Nachbildung eines Schweizer Taschenmessers, den 4. Platz. Reliefelemente geben jedem Werkzeug einen einzigartigen Look. Foto: swissQprint 

Braille-Schrift mit Inkjet 

Mit der 2,5 D-Technologie kann man auch erhabene Schriftzüge, Piktogramme, Richtungspfeile und Braille-Buchstaben drucken. Hier hat sich in den letzten Jahren vor allem in den USA ein enormer Markt gebildet. Denn der „Americans with Disabilities Act“ (ADA) verlangt, dass Hilfen für Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen nicht nur in öffentlichen Gebäuden, sondern möglichst auch in Ladengeschäften und Büros verfügbar sind. 

Immer mehr Beschilderungen müssen deshalb zusätzlich mit Braille-Schriftzügen ausgestattet werden. Die konventionelle Herstellung von Schildern mit Braille ist sehr aufwendig. Denn die Erhöhungen müssen mindestens 0,4 Millimeter bei einer Buchstabenhöhe von 6 bis 7 mm betragen damit sie gut fühlbar sind. Man erreicht dies je nach Material durch Stanzen oder Prägen, aber auch durch das Einsetzen winziger Kügelchen in vorgefräste Löcher.  

2,5 D-Druck mit Inkjet-Druckern ist deshalb ideal geeignet, um die Produktion von Braille-Schildern stark zu vereinfachen. Mutoh hat deshalb in seinem VerteLith-RIP Möglichkeiten zum Braille-Druck integriert. Man kann aber auch in externer Software wie CADlink Digital Factory UV Edition DesignPro Braille-Zeichen zum Druck mit Inkjet anlegen.  

Dabei ist darauf zu achten, dass das Braille-System zwar in vielen Ländern der Welt eingesetzt wird. Sie ist aber nicht universal, d.h. die Zeichen werden zum Teil an die Landessprache angepasst. Auch bei der Umsetzung für Beschilderungen gibt es nationale Unterschiede. Für Deutschland ist etwa die DIN 32976 maßgeblich, in der Anforderungen und Maße festgelegt sind. 

Neben Braille-Schriften kann man auch Profilbuchstaben und Tastmodelle für blinde und sehbehinderte Menschen mit Hilfe des 2,5 D-Inkjet-Druckes herstellen.  

Vor- und Nachteile von Drucklackierung und 2,5 D-Druck mit Inkjet 

Partielle Drucklackierungen und strukturierte Oberflächen lassen sich mit Inkjet im Vergleich zu konventionellen Verfahren einfach und kostengünstig realisieren. Denn es müssen keine aufwendigen Schablonen und Vorlagen erstellt werden. Dadurch sind Kleinserien und Einzelstücke vergleichsweise günstig zu produzieren.  

Bei vollflächiger Drucklackierung sind allerdings Lackiertische oder Siebdruck-Verfahren fast immer die günstigere Lösung. Denn der Tintenverbrauch beim Lackieren wie beim 2,5 D-Druck mit Inkjet-Tinte ist relativ hoch. Zudem sorgen die vielen Kopfüberfahrten dafür, dass die Produktivität im Vergleich zum normalen 2 D-Druck meist deutlich niedriger liegt. 

Für tastbare Applikationen an sehr stark frequentierten Stellen sollte man auch berücksichtigen, dass Kunststoff einer größeren Abnutzung ausgesetzt ist als Metall. Dadurch kann sich eine kürzere Haltbarkeit der Beschilderung ergeben, was bei der Gewährleistungsfrist berücksichtigt werden muss.  

Marktchancen für Druckdienstleister beim 2,5 D-Druck 

Strukturierte Oberflächen und 2,5 D-Kunstwerke und -Reproduktionen bieten gute Chancen für Druckdienstleister, die sich auf diese Bereiche spezialisieren wollen. Besonders gut dürfte dies Unternehmen gelingen, die im Kunstbereich schon einen Kundenstamm aufzuweisen haben oder regelmäßig für Museen arbeiten.  

Bei Beschilderungen für Personen mit beschränkter Sehkraft dürfte sich in Europa ebenfalls in den kommenden Jahren eine stark erhöhte Nachfrage ergeben. Denn eine alternde Bevölkerung ist immer stärker auf Hilfsmittel zur Orientierung angewiesen. Dabei bleibt allerdings zu berücksichtigen, dass die Anforderungen und Normen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sein können.  

Für viele Einsatzbereiche von 2,5 D-Druck wird es zudem notwendig sein, sehr spezielle Fähigkeiten im Unternehmen aufzubauen. Das umfasst etwa die Erstellung von dreidimensionalen Strukturen, oder auch Kenntnisse der Blindenschrift. Dadurch werden neben der Hardware zusätzliche Investitionen in Software und Weiterbildung fällig. Allerdings bedeutet dies auch, dass in den entsprechenden Nischen der Wettbewerb voraussichtlich nicht so hoch sein wird. Denn der Aufbau dieser Detailkenntnisse kostet Zeit.

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