Fahrzeugverklebung

PVC: Kontroverser Werkstoff für Car Wrapping oder No-Go?

by Sonja Angerer | 17.03.2025
PVC: Kontroverser Werkstoff für Car Wrapping oder No-Go?

Für die Fahrzeugvollverklebung sind PVC-Folien weit verbreitet. Doch PVC steht in der Kritik. Kann man im Car Wrapping künftig auf Polyvinylchlorid verzichten?

Polyvinylchlorid (PVC) gilt heute im Bereich des Car Wrapping als Standard. In den letzten Jahren gibt es jedoch Bestrebungen, Vinyl als Bedruckstoff im Digitaldruck zurückzudrängen. Denn es gilt als wenig umweltfreundlich und schlecht zu recyceln. Dieser Artikel erforscht die aktuelle Situation bei der Nutzung von PVC für die Fahrzeugverklebung und erklärt Vorteile, Nachteile und Alternativen.

PVC: Noch Standard bei Fahrzeugbeklebung

„Der überwiegende Anteil der in Deutschland und Europa (von Spandex) verkauften Car-Wrapping-Folien besteht nach wie vor aus PVC-Materialien. PVC-freie Alternativen machen aktuell nur einen kleinen, aber wachsenden Teil des Marktes aus – je nach Land und Produktsegment liegt ihr Anteil schätzungsweise im einstelligen Prozentbereich“, gibt Stephanie Edling, Marketing & Productmanagement Koordinator bei der Spandex Deutschland GmbH zu Protokoll.

Bei anderen Folien-Herstellern und -Anbietern dürfte es derzeit nicht grundlegend anders sein. Denn zumeist bieten sie nur eine kleine Auswahl von PVC-freien Folien. Sie basieren in der Regel auf thermoplastischem Polyurethan (TPU) bzw. PU, Polypropylen (PP) oder PET.

Die heutige Dominanz des Vinyls liegt vor allem an seinen Vorteilen. Denn PVC-Folien sind bekannt für ihre Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber Witterungseinflüssen, UV-Strahlung und mechanischen Belastungen. Zudem lassen sie sich leicht an die Konturen eines Fahrzeugs anpassen. Bei bedruckbaren Folien für Fahrzeugverklebung kommt hinzu, dass lösemittelhaltige Digitaldruck-Tinten speziell für Vinyl entwickelt wurden. Doch auch Latex- und UV-härtende Tinten bieten auf PVC-Folien oft noch die besten Ergebnisse.

Allerdings ändert sich hier gerade etwas, hat Marco Kimmich, 1. Vorsitzender der GEWA General-Wrapping-Association e. V. beobachtet: „In den letzten Jahren haben Kunden – hier speziell OEM und Flottenbetreiber – nach PVC-freien Folien gefragt. Die Entwicklung der Folienhersteller war aber eher schleppend, sodass man als Folierer dem nur sehr begrenzt nachkommen konnte. Jetzt aktuell kommt aber Bewegung in den Markt und es werden TPU-Folien für die Fahrzeugfolierung angeboten. Diese TPU-Folien haben das Zeug zum Game Changer, da sie Farbwechsel und Lackschutz perfekt vereinen.“

Beim Car Wrapping sind PVC-Folien derzeit noch der Standard. Im Bild: KPMF VWS 4-Serie, erhältlich u.a. seit Mitte März 2025 bei Spandex. Foto: Spandex.

Bleibt es beim PVC?

PVC-Folien und Laminate gibt es in einer Vielzahl von Farben und Oberflächenstrukturen. Sie sind als günstiges, kalandriertes Produkt für den kurzfristigen Einsatz auf ebenen Flächen ebenso zu haben wie als gegossene Premium-Folie für 3D-Verklebungen mit einer Außenhaltbarkeit von fünf Jahren und mehr. Kein Wunder, dass PVC-Folien auch bei Bannern, Aufklebern und Beschilderungen nach wie vor allgegenwärtig sind. Von „No Go“ also derzeit keine Spur.

Das bestätigt auch Stephanie Edling: „PVC-Folien bieten eine hohe Flexibilität, Langlebigkeit und Verformbarkeit, die für Fahrzeugverklebungen essenziell sind. Komplett PVC-freie Alternativen haben aktuell noch Einschränkungen bei der Dehnbarkeit und Anpassungsfähigkeit, sodass ein vollständiger Ersatz derzeit nicht realistisch ist.“

Marco Kimme sieht das etwas anders: „TPU ist PVC fast in jeder Hinsicht deutlich überlegen“, sagt er, und weiß eine Menge Gründe dafür anzuführen. So bietet TPU etwa eine deutlich höhere UV-, Chemikalien- und Witterungsbeständigkeit und altert langsamer. Dies gilt unabhängig davon, ob horizontale oder vertikale Flächen beklebt werden. Die Folien sind außerdem „selbstheilend“, kleinere Kratzer verschwinden also unter Wärmeeinwirkung von selbst. Carwrapping-Kunden profitieren von den guten Lackschutz-Eigenschaften der TPU-Folie auch bei sehr kaltem oder heißem Wetter, sowie von besonders brillanten Farben. Zudem, so Kimme, lässt sich TPU-Folie leichter reinigen, weil Schmutz kaum anhaftet.

PVC ist ein bewährter Werkstoff für die Fahrzeugverklebung. Im Bild: KPMF-Folie (über Spandex). Foto: Spandex

Die Kontroverse um PVC

PVC hat also für die Fahrzeugbeklebung viele gute Eigenschaften. Trotzdem ist die Nutzung des Werkstoffs unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten alles andere als ideal, denn PVC hat einige Nachteile.

So kann die Arbeit mit PVC die Gesundheit gefährden. Vinyl enthält Weichmacher, die für die Flexibilität notwendig sind. Einige dieser Weichmacher, wie Phthalate, stehen im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein. In vielen Consumer-Produkten sind Phthalate deshalb in Deutschland laut Umweltbundesamt verboten.

Häufig werden beim Druck auf Vinyl auch flüchtige organische Lösemittel (VOCs) freigesetzt. Dies gilt vor allem in Zusammenhang mit lösemittelhaltigen Tinten sowie mit einer Erwärmung der Folien.

Schließlich ist auch die Entsorgung von PVC vielfach noch immer problematisch. Das Material ist nicht biologisch abbaubar. Es gibt zwar eine wachsende Zahl von Anlagen zum PVC-Recycling. Gerade bei bedruckten und laminierten Folien sind Deinking und sortenreine Trennung jedoch sehr aufwändig.

Das führt dazu, dass PVC-haltige grafische Folien oft in der Müllverbrennungsanlage landen. Diese müssen zum Verwerten von Vinyl jedoch mit sehr guten Filtern ausgestattet sein, weil bei der Verbrennung giftige Dioxine entstehen können.

TPU-Folien (hier von CYS Europe) gibt es Hochglänzend und Matt. Foto: CYS Europe

Alternativen zu PVC

Man kann also PVC mit einigem Recht als mindestens kontroversen Werkstoff sehen. Deshalb suchen Hersteller und Vertriebe, aber auch Verarbeiter zunehmend nach Alternativen.

Derzeit sind das vor allem PU- und TPU-Folien. Sie enthalten weniger schädliche Chemikalien, zudem entsteht bei der Verbrennung kein Chlor oder Dioxin. Ein Beispiel für Fahrzeugfolien auf PU-Basis ist etwa die Avery Dennison MPI 1405-Serie.

Die Verarbeitung von TPU-Folien kann für Anwender, die das Material nicht gewohnt sind, jedoch einige Herausforderungen mit sich bringen. Edling sagt dazu: „Die Verarbeiter sind oft noch zögerlich, da PVC-freie Materialien oft andere Verarbeitungseigenschaften haben“. Das sieht auch Kimme, und weist darauf hin, dass TPU-Folien derzeit noch teurer sind als PVC-Material. Für ihn ist TPU aber insgesamt die bessere Wahl für eine hochwertige, langlebige Fahrzeugfolierung. Farbige TPU-Folien gibt es beispielsweise von CYS Europe.

Weitere PVC-Alternativen, etwa die PP-Folien EcoPlot Aslan PP 112, sind meist nur für den kurzzeitigen Einsatz auf geraden Flächen gedacht. Man kann sie im Car Wrapping etwa für kleinformatige Schilder oder Aufkleber an Seitenwänden ohne Sicken und Nieten einsetzen. Ähnliches gilt für Folien aus PET wie Neschen Easy Dot PET.

PVC bleibt kontrovers beim Car Wrapping

Für die meisten Fahrzeugverklebungen kommt derzeit noch PVC zum Einsatz. Doch der kontroverse Werkstoff erscheint nicht mehr unverzichtbar. Mit TPU, aber auch PU, PET und PP gibt es inzwischen Folien-Alternativen, die dem PVC bei Fahrzeugverklebung teilweise deutlich überlegen sind.

Derzeit ist ihr Marktanteil noch klein. Doch das könnte sich in den kommenden Jahren schnell ändern. Das wird dann dazu führen, dass sich auch Preisunterschiede bei den verschiedenen Folien-Typen weitgehend ausgleichen.

Vor allem bei öffentlichen Ausschreibungen und von Konzernen mit Pflicht zu Umweltberichterstattung werden schon heute öfter PVC-freie Alternativen angefragt. Zudem erkennen immer mehr Digitaldruckereien, Werbetechniker und Folierer, dass PVC-freie Folien nicht zuletzt für die eigene Gesundheit zuträglicher sind. Es liegt nun aber auch an den Endkunden, die Fahrzeugverklebung in Auftrag geben. Sie müssen bereit sein, geringfügig höhere Preise zu akzeptieren, damit Umwelt und Gesundheit weniger in Mitleidenschaft gezogen werden.

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