Wo stehen wir heute? Energie-Effizienz in der Großformat-Industrie
Die Energieeffizienz von Digitaldruckern vergleichen zu können, ist ein wichtiger Faktor für eine fundierte Investitionsentscheidung, aber die Akzeptanz von allgemein anerkannten Standards ist noch nicht so hoch wie erwünscht.
Die Klimakrise drängt sich jetzt wieder in den Mittelpunkt. Deshalb aktualisieren viele Gesetzgeber in Europa die Planungen zur Senkung der Umweltbelastungen. Dies hat bereits zu einem starken Anstieg der Strompreise geführt. Viele Druckdienstleister wollen heute die Energieeffizienz von Maschinen mit in ihre Kaufentscheidung einbeziehen. Doch das ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick erscheint.
Ende April 2021 waren die Menschen in vielen europäischen Ländern noch sehr stark mit der Gesundheitskrise beschäftigt. Dadurch haben sie wahrscheinlich eine Ankündigung des EU-Parlaments übersehen, die Kohlenstoffemissionen bis zum Jahre 2030 um mindestens 55 % im Vergleich zu 1990 zu senken. Diese Entscheidung sollte aber der gesamten Industrie klar gemacht haben, dass man nun beim Bau von energieeffizienten Maschinen dringend einen Zahn zulegen muss. Denn die Energiekosten werden künftig einen immer größeren Teil der „Total Cost of Ownership“ (TCO) ausmachen.
Aber wie können sich Druckdienstleister überhaupt für energieeffiziente Großformatdrucker und andere Maschinen entscheiden? Mehr Energieeffizienz bedeutet, ganz nach Lehrbuch, die Energiemenge zu reduzieren, die benötigt wird, um eine festgelegte Menge an Produkten und Dienstleistungen bereitzustellen. Dazu aber ist es nötig, alle Werte fair und unvoreingenommen messen zu können.
Für Digitaldrucker liegen bereits zwei ISO-Normen vor.
- Die ISO 21632 ist für Maschinen gedacht, bei denen andere Modi als der Produktionsdruckmodus eine wichtige Rolle für den Gesamtenergieverbrauch spielen. Man kann mit Hilfe dieser Norm auch vergleichen, wie sich verschiedene Einstellungen, etwa „beste Qualität“ oder „hohe Produktionsgeschwindigkeit“ auswirken.
- Die ISO 20690 ist für Digitaldrucker mit mehreren Betriebsarten gedacht, die typischerweise mit größeren Lauflängen arbeiten, da Stopps und Starts immer erhebliche Spitzen im Energieverbrauchverursachen. Sie beschreibt eine standardisierte Methode zur Abschätzung der Energieeffizienz für digitale Produktionsdruckmaschinen, die für die professionelle Produktion eingesetzt werden.
Es gibt noch weitere Labels, mit denen Hersteller die Energieeffizienz hervorheben, Energy Star, Blauer Engel oder RAL-UZ 122 gehören dabei zu den bekanntesten. Etliche große Druckerhersteller, z.B. Canon / Océ, Epson, HP, Konica-Minolta, Mimaki, OKI und Xerox bieten Drucker mit einer Energy Star-Zertifizierung der US-Umweltschutzbehörde EPA an.
BILDUNTERSCHRIFT: Der Mimaki - Tx300P-1800 MK II ist Energy Star-zertifiziert. Foto: Mimaki.
Die Energieeffizienz des Druckers ist nur ein erster Schritt
Digitaldrucker sind eine sehr vielfältige Produktfamilie. Die Maschinen reichen von kleinen Fine-Art-Drucker über schnelle Geräte für hausinterne Druckabteilungen und den digitalen Produktionsdruck bis hin zu Großformat-Druck und Industrial Inkjet.
Im Vergleich zu den meisten Produkten aus dem analogen Akzidenzdruck erfordernd Standard-Applikationen im Digitaldruck zumeist eine viele höhere Zahl von vor- und nachgelagerten Produktionsschritten. Dafür benötigt man weitere Maschinen, also etwa Trockner, Kalander und Laminiertische, um ein überhaupt ein verkaufsfähiges Produkt zu erzeugen.
Digitaldrucker verlangen im Vergleich zu ihren analogen Pendants sehr stabile Umgebungsbedingungen. Oft wird eine Temperaturbereich zwischen 18 und etwa 30 Grad Celsius empfohlen. In den meisten Klimazonen bedeutet dies aber, dass man eine Klimaanlage und / oder eine Heizung benötigt. Der Gesamtenergieverbrauch wird dadurch in die Höhe getrieben.
BILDUNTERSCHRIFT: Swissqprint ist der derzeit einzige große Hersteller, der sein gesamtes Sortiment nach der Norm ISO 20690 zertifiziert hat. Foto: Swissqprint
Kann man die Energieeffizienz von Druckern heute wirklich vergleichen?
Bislang ist die ISO 20690 in der Branche noch nicht gut angenommen worden. Swissqprint ist der einzige große Hersteller, der sein komplettes Sortiment nach dieser Norm zertifiziert hat. Die Drucker der Produktfamilien Nyala, Karibu, Oryx und Impala arbeiten alle mit UV-LED-Technologie.
Aufgrund technischer Anforderungen benötigen Latex- und wasserbasierte Tinten tendenziell mehr Energie als UV-LED. Das liegt einfach daran, dass die Menge an Wasser, die in diesen Tinten enthalten ist, sehr schnell weggetrocknet werden muss, damit die Drucke verkaufsfähig sind.
Im digitalen Textildruck wird es dann noch komplizierter. Aktuelle Pigmenttinten-Technologie, z.B. von Kornit Digital oder EFi Reggiani, kommen ohne Sublimation, Waschen und Trocknen aus. Sie erzielen trotzdem sehenswerte und dauerhafte Druckergebnisse auf fast allen gebräuchlichen Stoffen, ob Chemie- oder Naturfaser. Im Vergleich zum traditionellen Siebdruck auf Textilien ist der gesamte Prozess daher viel energieeffizienter und benötigt zudem auch noch deutlich weniger Wasser und Chemikalien.
Was als soll ein Druckdienstleister nun tun?
Die Nachfrage nach energieeffizienten Druckern ist bereits recht groß. Wie viele andere Kunden auch, sind Druckdienstleister bestrebt, mit ihrer Kaufentscheidung auch zum Umweltschutz beizutragen. Schon durch den bereits erheblichen Anstieg der Energiekosten ergibt sich zusätzlich die schiere Notwendigkeit, die Produktion deutlich energieeffizienter zu gestalten. Viele europäische Länder haben zudem bereits beschlossen, die Energiekosten in den kommenden Jahren durch Besteuerung und CO2-Kompensationsmaßnahmen weiter zu erhöhen.
Es liegt auf der Hand, dass nur die Möglichkeit, Energieeffizienzwerte einfach und international zu vergleichen, Druckdienstleister helfen wird, fundiertere, umweltfreundlichere Kaufentscheidungen zu treffen. Die ISO-Normen 21632 und ISO 20690 scheinen dabei allerdings noch keine große Rolle zu spielen, da sie sich nur langsam durchsetzen.
Einige der konkurrierenden Energieeffizienz-Labels sind nicht so genau auf die digitale Produktion oder den Großformatdruck abgestimmt wie ISO 21632 und ISO 20690. Die Energy Star-Abteilung „Imaging Equipment“ umfasst beispielsweise Drucker, Scanner und Multifunktionsgeräte. Die zugehörigen Kaufberatungs-Webseite konzentriert vor allem auf Einstellungen für den Ruhemodus. Der allerdings ist für Bürodrucker eindeutig wichtiger ist als für Maschinen in der Produktion.
Diese Situation macht es für Druckdienstleister schwierig, die Energieeffizienz zwischen Druckern wirklich zu vergleichen. Es ist jedoch genauso wichtig, auch den gesamten Produktionsprozess zu betrachten. Alle die Energieeffizienz von Druckern zu beurteilen, greift deutlich zu kurz. Dennoch müssen Druckdienstleister ihre Lieferanten dazu drängen, mehr zu tun, damit der Vergleich von Energieeffizienzwerten möglich wird. Denn nur so sind umweltfreundliche Kaufentscheidungen möglich.
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