Chancen in Industrie und Verpackungsdruck: Thermoformen und Inkjet
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Skalen, Verpackungen, Bauteile: Thermoformen ist überall. Bei bedruckten Teilen kann Inkjet-Technologie dabei helfen, personalisierte und Einzelstücke erst möglich zu machen.
Der Inkjet-Druck im industriellen Umfeld hat in den letzten Jahren ein leisen, aber nachhaltigen Siegeszug angetreten. Denn überall dort, wo kleine Kleinserien mit Motiv hergestellt werden sollen, gibt es keine wirtschaftlich tragbare Alternative zum Digitaldruck. Dies gilt auch beim Herstellen von tiefgezogenen und thermogeformten Applikationen. Diese werden vor allem im Maschinenbau und in der Automotive-Branche gebraucht. Doch die Herstellung von Sportartikeln, Dekorationen, Verpackungen und POS-Displays greift oft auf das Verfahren zurück.
In diesem Artikel erkläre ich
- wie Thermoformen / Tiefziehen funktioniert
- welche Bedingungen Inkjet-Tinten für Thermoforming erfüllen müssen
- welche Chancen die Applikation für Druckdienstleister bietet.
BILDUNTERSCHRIFT: Streng genommen kann nur Metall tiefgezogen werden, doch im Deutschen werden „thermoformen“ und tiefziehen oft synonym verwendet. Foto: S. Angerer
Tiefziehen, Thermoforming, oder was?
In der deutschen Umgangssprache werden „tiefziehen“ und „thermoformen“ meist synonym verwendet, und tatsächlich handelt es sich bei beiden Verfahren um Technologien, die ein flaches, oft bedrucktes Medien im eine dreidimensionale Form bringt. Dazu kommen Stempel, manchmal auch Druckluft oder Vakuum zum Einsatz.
Streng genommen bezeichnet „tiefziehen“ nur das Formen von Metallblechen, während Thermoformen oder Warmformen ein Verfahren zur Umformung thermoplastischer Kunststoffe unter Wärmeeinwirkung ist. Es wird oft auch alternativ zum Spritzguss verwendet, weil die Werkzeugkosten vor allem für kleine und mittlere Serien vergleichsweise günstig sind.
Motive werden mit einer speziellen Software auf flache Objekte gedruckt. Beim Thermoformen wird bedruckte oder unbedruckte Folie in Bögen oder von der Rolle erwärmt und mit Druckluft oder Vakuum an oder in eine Form gepresst. Nach der Abkühlung verbleibt der Kunststoff in seine neuen 3D-Form.
Werkstoffe, die beim Tiefziehen verwendet werden, müssen eine hohe Dehnbarkeit und Festigkeit aufweisen, um die plastische Verformung zu ermöglichen und Risse oder Falten zu vermeiden. Beim Thermoformen kommen traditionell Folien aus PVC zum Einsatz, heute ist man allerdings überwiegend auf PET, PS und PP umgeschwenkt. Beim Tiefziehen werden Baustahl, Edelstahl und Aluminium, aber auch Kupfer, Titan und Messing eingesetzt. In dieser Artikel gehe ich im weiteren Verlauf nur noch auf Thermoformen / Tiefziehen von Kunststoffen ein, da es nur hierfür am Markt gut erhältliche Inkjet-Tinten gibt.
BILDUNTERSCHRIFT: Thermogeformte Displays mit 3D-Effekt erregen sehr viel Aufmerksamkeit. Foto: S. Angerer
Inkjet-Tinten für das Thermoformen
Um sich für den Druck von Bauteilen zu eignen, die tiefgezogen werden, müssen Inkjet-Tinten einige Kriterien erfüllen. Sie müssen zunächst eine sehr gute Haftung auf dem Substrat aufweisen, damit sie beim Tiefziehen nicht abplatzen oder verschmieren. Gleichzeitig ist eine hohe Flexibilität und Dehnbarkeit gefordert, damit es beim Thermoformen zu Weißbruch kommt, also der (meist weiße) Untergrund durch die Risse in der Tintenschicht scheint.
Die ersten Tinten speziell für thermoplastische Verfahren stellten die Hersteller bereits Mitte der 2010er Jahre vor. Die UV-härtenden Spezialtinten sind für Hybrid- und Flachbettdrucker gedacht. So lassen sich etwa die EFI Vutek GS-TF und GS-CF-Tinten auf den Modellen VUTEk GS2000x Pro sowie GS3250x Pro einsetzen. Man kann sie auf auch auf hochschlagfestem Polystyrol (HIPS), Polycarbonat und sogar Acryl verdrucken, dabei soll es auch beim Kantenfräsen nicht zu Absplitterungen kommen.
Die Vutek GS-TF Tinten bieten eine extreme Dehnungsfähigkeit von über 1.000 %, bei den Vutek GS-CF Tinten sind immerhin noch über 200 Prozent möglich. Beide Tintensorten sind acht Farben (CMYK, LC, LM, LY, LK) plus Weiß verfügbar, sie können für vorder- wie rückseitigen Druck der Werkstücke eingesetzt werden. Der Hersteller empfiehlt bei der Verwendung im Außenraum oder an exponierten Stellen zusätzlich ein Überlackieren mit EFI Armor UVF Lack.
Die Mimaki LUS350-Tinte kann mit den Flachbett-Druckern UJF-7151plus II / UJF-7151plus sowie JFX200-2513 EX / JFX200-2531 eingesetzt werden. Sie wird in CMYK, Weiß und als Klarlack angeboten. Beim Erwärmen auf Temperaturen zwischen 120 ⁰C und 200 ⁰C ist sie um bis zu 350 % dehnbar, bei Raumtemperatur erlangt sie ihre ursprüngliche Festigkeit wieder zurück. Dadurch wird eine sichere Haftung ohne Rissbildung oder Ablösen sichergestellt.
Auch Fujifilm hat UV-härtende Tinten speziell für thermische Umformungsverfahren im Angebot. Die Greenguard-Gold-zertifizierte Uvijet KV-Tinte wurde für die Systemen Acuity Select, Select HS und Acuity F entwickelt, die allerdings neu von Fujifilm nicht mehr verfügbar sind. Uvijet KV ist in CMYK, Light Cyan, Light Magenta sowie Weiß zu haben. Die Tinte hält auf für Tiefziehverfahren üblichen Kunststoffen, kann aber auch auf Papier, Wellpappe, Cavas, Acryl oder Glas eingesetzt werden. Zur Härtung sind konventionelle UV-Lampen erforderlich, die Außenhaltbarkeit der Drucke liegt in Europa bei 24 Monaten.
BILDUNTERSCHRIFT: Personalisierte, tiefgezogene Produkte werden erst durch Inkjet möglich. Foto: S. Angerer
Tiefziehen: Eine Nische für Digitaldruck-Dienstleister?
Die europäischen Initiativen zur Verminderung von Verpackungsmüll, aber auch die anhaltende Nachfrage nach personalisierten und individualisierten Industriegütern dürften dafür sorgen, dass die Nachfrage nach thermogeformten, bedruckten Produkten in kleinen Auflagen künftig eher noch ansteigt. Für Druckdienstleister kann sich dadurch eine Chance ergeben, Foliendrucke auf Materialen zum Tiefziehen an die Industrie zu liefern.
Weitere denkbare Nischen sind spezielle POS-Applikationen, aber auch Gebrauchs- und Deko-Produkte wie etwa Halbreliefs zur Wandmontage oder Koffer. Sollen dies komplett In-house hergestellt werden, muss allerdings zusätzlich entsprechende Maschinen zur Kunststoffverarbeitung sowie entsprechende Fachpersonal investiert werden.
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