Heimtextil und Dekoration: Kissen sind weich, aber Vorschiften hart
Bedruckte Innendekoration ist nach wie vor ein Wachstumsmarkt, aber auch eine tiefgreifende Veränderung im Geschäftsmodells von Druckdienstleistern, bei der viele Vorschriften zu beachten sind.
Vorhänge, Läufer, Kissen und Tapeten ganz nach Kundenwunsch sind heute gefragter denn je. Für Druckdienstleister, die nach neuen Geschäftsmöglichkeiten suchen, ist das ist eine gute Nachricht. Nicht allen ist jedoch bewusst, dass sie sich mit bedruckten Innendekoration auch in ganz neues Geschäftsfeld begeben, in dem viele Vorschriften zu beachten sind.
Ob online, im Schaufenster in der Fußgängerzone oder auf Messen: Individualisierte oder maßgefertigte Innendekorationen sind nach wie vor Publikumsmagneten. Für Druckdienstleister ist das eine gute Nachricht. Denn trotz – oder gerade wegen – der derzeitigen Unsicherheiten in der wirtschaftlichen Entwicklung bleiben Heimtexilien ein stabiles Geschäftsfeld. Während der Lockdowns 2020 und Anfang 2021 haben viele Druckdienstleister die Zeit genutzt und in Webshops investiert, die Produkte nach Kundenwunsch weltweit anbieten. Damit entwickelten sie sich sie allerdings gesehen vom Dienstleister zum Hersteller. Und das hat je nach Standort durchaus einige Konsequenzen.
In diesem Artikel umreiße ich die wichtigsten Folgen, die das mit sich bringt, und zwar in Bezug auf
- Verbraucherrechte
- Verpackung und Zoll
- Sicherheitsvorschriften und Zertifikate
Verbraucherrechte und Druckdienstleister
Auf Fachmessen wie der FESPA Printeriors werden wunderschön gedruckte Artikel für Zuhause präsentiert. Viele der Ausstellungsstücke sollte man allerdings eher als Einladung zur Entwicklung neuer Produkte verstehen, und nicht als tatsächlich schon verkaufsfähige Ware. Die Anforderungen etwas an ein bedrucktes Kissen, das auf einer Messe ausgestellt wird, sind sehr verscheiden zu dem, was Heimtextilien beim Kunden im Alltag aushalten müssen. Kissen werden beispielsweise schmutzig und müssen in die Waschmaschine, Tapeten und Vorhänge sind an einem Südfenster dem vollen Sonnenlicht ausgesetzt. Druckdienstleister müssen sich darüber klarwerden, dass die Entwicklung von bedruckten Innendekorationen, mehr als nur Druck und Veredelung bedeutet. Das gilt besonders dann, wenn an Endkonsumenten verkauft wird.
In der Europäischen Union haben die Endkunden Anspruch auf eine 24-monatige Gewährleistung. Während der ersten sechs Monate der Nutzung wird in der Regel davon ausgegangen, dass Mängel auf Probleme im Herstellungsprozess zurückzuführen sind. Der Endkunde hat dann Anspruch auf eine Rückerstattung. Für Druckdienstleister bietet auch das reine Geschäft mit Wiederverkäufern kaum einen Ausweg. Denn diese müssen, sofern sie an Endkunden liefern, dieselbe Gewährleistung bieten. Wenn sie bei digital gedruckter Innendekoration zu viele Kundenbeschwerden erhalten, werden sie sich als vermutlich an ihren Hersteller – also den Druckdienstleister – wenden. Dieser sollte deshalb schon im Vorfeld relevante Normen für seine Produkte sorgfältig recherchieren und herausfinden, ob diese den Vorschriften genügen.
Die Kunden erwarten mindestens, dass bedruckte Innendekoration und andere personalisierte Artikel mit klaren Anweisungen zur Reinigung und Pflege versehen sind. Tassen, die nicht in die Spülmaschine dürfen? Teppiche, die man nicht mit Reinigungsmitteln behandeln kann? Kissen, die von Hand gewaschen werden müssen? Damit rechnet ein Endkonsument nicht unbedingt. Deshalb ist es wichtig, dass Hersteller von digital gedruckten Heimtextilien ihre Kunden klar und deutlich auf ungewöhnliche Anforderungen hinweisen. So wissen diese im Voraus, worauf sie sich einlassen, das erspart später Enttäuschungen und Probleme.
BILDUNTERSCHRIFT: Beim Verkauf von bedruckter Innendekoration sind Verpackungs- und Zollvorschriften zu beachten. Foto: Sonja Angerer
Verpackung und Zoll
Beim Verpacken geht es eigentlich nur darum, eine Ware so einzupacken, dass sie beim Transport durch den Logistikdienstleister nicht beschädigt wird, oder? Schön wär‘s. Die EU-Verpackungrichtlinie 94/62/EG verpflichtet alle Mitgliedsländer, die Wiederverwertung von Verpackungsabfällen innerhalb der EU zu regeln. Jedes Mitglied entscheidet selbst über die Einzelheiten, aber das Prinzip der erweiterten Herstellerverantwortung (EPR) wird überall beibehalten.
Darüber hinaus gibt es zusätzlich ein grenzüberschreitendes System, so dass der Versand von Waren ins Ausland unter Umständen auch dort registriert und bezahlt werden muss. Manchmal hängt das von der Menge der Pakete ab. In vielen Ländern ist aber die Registrierung als EPR und der Kauf einer
Verpackungs-Lizenz auch beim reinen B2B-Gecshäft vorgeschrieben. Daher kann es gut sein, dass Druckdienstleister feststellen, dass sie für den nationalen Verkauf bereits gut gerüstet sind.
Beim internationalen Verkauf von bedruckten Innendekorationen ist zu bedenken, dass Handel außerhalb der Europäischen Union mit viel Papierkram und erheblichen Zollgebühren verbunden sein kann. Logistikunternehmen wie beispielsweise UPS bieten an, das Verfahren im Namen des Käufers abzuwickeln, wenn das Paket zugestellt wird. Dabei werden rund 20 % des Kaufpreises als zusätzliche Zollkosten und Gebühren fällig. Da sich die meisten Endverbraucher dieser Regelung nicht bewusst sind, sollten Druckdienstleister in ihrem Online-Shop unbedingt darauf hinweisen, wenn weltweiten Versand von bedruckter Innendekoration anbieten.
Sicherheitsvorschriften und Zertifikate
Druckdienstleister, die in den Markt für bedruckte Innendekoration einsteigen, sind sich oft nicht bewusst, mit wie vielen neuen Vorschriften sie sich nun auseinandersetzen müssen. Tapeten zum Beispiel unterliegen den Anforderungen der harmonisierten Bauproduktenrichtlinie (89/106/EWG) und der CE-Kennzeichnung. Weitere relevante Normen sind die EN 233 (fertige Wandbekleidungen aus Papier, Vinyl und Kunststoff) und die EN 234 (Wandbekleidungen in Rollen), in denen Fragen wie Lichtechtheit und Waschbeständigkeit behandelt werden. Diese Vorschriften gelten oft in Verbindung mit weiteren nationalen Gesetzen.
Auch für Möbel und Möbelstoffe gibt es eine Vielzahl von Normen und Zertifikaten, wobei die DIN EN 14465:2006 (Möbelstoffe für Wohnräume) und Öko-Tex in Mitteleuropa am weitesten verbreitet sind. Das GS-Zertifikat ("Geprüfte Sicherheit") des TÜV ist nicht verpflichtend, wird aber in vielen Ländern als Nachweis für Verarbeitungsqualität anerkannt. Damit können sich Druckdienstleister, die Heimtextilien verkaufen, beispielsweise von der Konkurrenz abzuheben. Man sollte sich allerdings klarmachen, dass nationale, zumal privatwirtschaftliche, Zertifikate immer nur in den entsprechenden Ländern gelten.
Für Sublimationsdrucke kaufen viele Druckdienstleister Halbfertigprodukte wie vorgeprimerte Tassen, Kissenbezüge oder Teller von Lieferanten ein. Dabei sollte man darauf achten, dass jedes
Zwischenprodukt anerkannte Standards wie REACH oder Öko-Tex erfüllt. Ein weit verbreiteter Irrglaube rankt sich allerdings um das Bedrucken von zertifiziertem Material. In der Regel darf nämlich das Endprodukt eben nicht automatisch das entsprechende Siegel tragen. In vielen Ländern ist es dazu nämlich erforderlich, das fertige Produkt, z. B. ein bedrucktes Kissen, in einem zertifizierten Labor testen zu lassen.
Dies ist besonders in Fragen des Brandschutzes wichtig. Seit vielen Jahren gibt es das europaweite Klassifizierungssystem nach EN 13501 für Produkte in öffentlichen Räumen wie Restaurants und Hotellobbys. Darüber hinaus sind nationale Richtlinien wie B1 /B2 (Deutschland) oder M1 (Frankreich) immer noch sehr gebräuchlich. Jede dieser Normen erfordert eine andere, oft sehr teure Prüfung in einem zertifizierten Labor für Produktsicherheit.
Von Duckdienstleister zum Hersteller
Bedruckte Innendekoration gilt schon seit vielen Jahren als ein wachstumsstarkes Segment. Man darf wohl annehmen, dass das derzeitige Interesse der Endverbraucher an einem schönen Zuhause die Nachfrage nur noch weiter anheizen wird. Viele Druckdienstleister besitzen bereits die passenden Maschinen für Druck und Weiterverarbeitung solcher Produckte. Dennoch werden gerade in den
Bereichen Verpackung und die Logistik wahrscheinlich weitere Investitionen fällig und es muss auch noch einiges an Wissen aufgebaut werden.
Vor allem im Endverbrauchergeschäft sind auch Zertifikate und Konformitätsprüfungen für einschlägige Normen ein wichtiger Produktbestandteil. Denn nur so können sich Druckdienstleister gegen Haftungsrisiken wirkungsvoll schützen.
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